von Christoph Lindenberg weltwärts Freiwilliger 2012-2013

Unterrichten als Abiturient? Vor einer Klasse stehen, eigenverantwortlich das Unterrichtsgeschehen leiten? Dazu in Englisch? Eventuell eine Fußballmannschaft trainieren, auf Spiele begleiten? Die Aufgabe reizte mich und machte mich gleichzeitig auch ein wenig nervös. Ich versuche jegliche Erwartungen und Vorstellungen an das was mich erwartet erstmal auszublenden, dem so Fremden so offen wie möglich zu begegnen.

This is your class

Wenige Wochen nach der Vorbereitung in Glücksburg stehe ich nun im Büro von Mrs. Janima. Sie ist die Leiterin des Business Departements am NVI. Die etwas Ältere Dame fasst mich am Arm, führt mich ohne Umwege in einen Klassenraum. Auf den Tischen stehen Laptops, an der Decke hängt ein Beamer. „This is your class“, sagt sie mit einem ermunterndem Lächeln, „teach them what you know.“ Sie verlässt den Raum und schließt die Tür, viel mehr Einführung brauche ich nicht, erzählte sie mir später. Die Gedanken der letzten Tage schießen mir durch den Kopf: Wie möchte ich mich präsentieren? Kenn‘ ich mich eigentlich ausreichend aus um sicher und informativ unterrichten zu können? Viel Zeit für weitere Zweifel bleiben kaum, denn ich stehe vor 25 jungen Erwachsenen, fast alle männlich, in weißen kurzärmeligen Hemden, im Alter von 15 bis 23 Jahren. Viele der Schüler müssen hin und wieder Trimester aussetzten, weil das nötige Schulgeld fehlt – daher der Altersunterschied. Es ist die Klasse „Electrical 2“, also angehende Elektriker. Sie wollen später mal Neubauten verkabeln und Fernseher reparieren. Computer, inklusive Word, Excel und Powerpoint grundlegend beherrschen zu können gehört neben der Arbeit mit Kabeln und Schaltkreisen auch zum Lehrplan. Über die verbleibenden Monate werde ich nun diese und noch weitere Klassen unterrichten und ihnen genau diese Kenntnisse vermitteln. Die Tafel im Rücken, die Schüler fest im Blick, begrüße ich, frage nach Namen und stelle mich vor. Eigentlich ziemlich genau so wie das Lehrer in Deutschland auch tun. Meine Aufregung verfliegt mit jedem meiner Worte; ein fester Stand und ernster Blick in die mich aufmerksam beobachtenden Gesichter lässt mich schnell die nötige Sicherheit gewinnen. Schilderungen anderer Freiwilliger von völligem Kontrollverlust und Chaos im Klassenraum sind schnell vergessen. Ich erkläre Tastatur, Betriebssystem und co., lasse zu zweit Laptops starten und bedienen, gehe durch die Reihen und beantworte noch etwas zögerlich gestellte Fragen.

Call me Mr Christoph

Die Tatsache des Altersunterschiedes scheint übrigens eher mich zu beunruhigen, als die teils älteren Schüler, wahrscheinlich dem Umstand geschuldet, dass ich durch das Tragen eines ordentlichen Hemdes und meiner weißen Hautfarbe deutlich als Lehrer und damit als Respektsperson zu identifizieren bin. An diese neue Rolle gilt es sich also auch zu gewöhnen. Als ein Schüler mich dann bei einer Frage mit „Master“ adressiert, geht mir die Respektsbekundung jedoch ein Stück zu weit und ich bitte ihn mich doch in Zukunft lieber Mr. Christoph zu nennen, dass sei mir einfach lieber.

So verlaufen die ersten Stunden relativ ereignis- und problemlos. Die Zeit fliegt, ich rede, höre zu, lächele, ermutige. Die erste Hürde ist also genommen.

Ein paar Tage später darf ich den zweiten Teil meiner Arbeit angehen: Ich trainiere nun täglich die erste Schülerauswahlmannschaft meiner Schule. Bereits bei meiner Ankunft hatte ich im Gespräch mit den verantwortlichen Lehrern mein Interesse geäußert eine Fußballmannschaft zu trainieren, als methodischer Ausgleich zu meiner teils klassischen Arbeit als Lehrer. Wie geheißen sammeln sich also die Spieler am ersten Tag des Trainings in einem Kreis um mich herum, diesmal auf Augenhöhe, nicht wie im Rahmen eines Klassenraumes, wo ich auch dank Hemd und langer Hose klar als Lehrer zu erkennen bin. Hier auf dem Feld trage ich T-Shirt, kurze Hose und Fußballschuhe, wie die Spieler auch. Es gibt daher optisch keine klare Trennung wie im Klassenraum. Ich beginne meine erste Ansprache und erkläre, nach einer kurzen persönlichen Vorstellung, dass meine Methoden möglicherweise unbekannt seien, komisch vielleicht, zu Anfang sicher schwer nachzuvollziehen, ich bitte daher um Vertrauen. Ein Fußballteam bestehe nicht aus elf Individualisten, dass sei mir sehr wichtig, also würden viele meiner Übungen darauf abzielen das Zusammenspiel zu forcieren. Weiter betone ich das sich jeder durch Einsatz, Disziplin und Willen zeigen müsse, das Team sei noch zu groß. Verständiges nicken bei einigen. Dann schicke ich zum warmlaufen, diesmal nicht individuell, wie die meisten es gewohnt sind, sondern nebeneinander in einer Linie.

Unterrichtsfelder und Früchte der Arbeit

Ich genieße die Arbeit unter freiem Himmel; macht sie mir oft mehr Freude, als das teils eintönige Unterrichten im Klassenraum, wo meine Methodik vor allem darauf beruht, meine Schüler die Funktionen des Computers und der zu benutzenden Programme selbst erforschen und kennenlernen zu lassen. Ich möchte also so wenig wie möglich erklären und lasse viel in eigenständiger Arbeit probieren, bin folglich oftmals passiv und beantworte immer und immer wieder die selben Fragen. Diese Methodik erlaubt zwar in meinen Augen den nachhaltigsten Erkenntnisgewinn und eine gute intuitive Schulung der Fähigkeiten, erfordert dieser Stil jedoch den Großteil der Unterrichtseinheit von meiner Seite wenig aktive Initiative. Auf dem Fußballfeld ist dies anders. Dort bin ich ständig gefordert, gebe Anweisungen, bewege mich, beobachte, korrigiere, übe Kritik, Lobe. Ich bin deutlich intensiver gefordert, methodisch wie inhaltlich, muss aktiv jede Einheit gestalten, einen Schwerpunkt setzen, mit Komplikationen klarkommen und Erfolgserlebnisse ermöglichen. Das Gelingen eines schönen Spielzuges ermöglicht auf der anderen Seite auch mir persönlich eine große Freude über die Früchte meiner Arbeit.

Am NVI darf ich Aufgaben übernehmen, von denen ich glaubte, ihnen nicht hundert prozentig gewachsen zu sein. Hier habe ich die Möglichkeit dazu an diesen Aufgaben wachsen. 
Das schöne am Freiwilligen-Dasein am NVI? Man ist nicht zwingend gebunden an die Aufgabe als IT/Computer-Lehrer. Die Schule ist groß, es warten zahlreiche verschieden Departements mit unterschiedlichen Aufgaben. Zudem steht man nicht immer im Mittelpunkt, kann in Ruhe seine Arbeit ausüben.

Am Nile Vocational Institute hatte ich die Möglichkeit an neuen Aufgaben zu wachsen, mich selber, und vor allem nette, hilfsbereite Menschen kennenzulernen. An neuen, fremden Aufgaben wächst man ja bekanntlich.